Mirko Schur

Coach | Berater | Trainer

Mirko Schur

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Lerngeschichten

„I never lose. I either win or learn.“ – Nelson Mandela

Vom Bummelzug zum Schnellzug

Mehr Wirkung mit weniger Arbeit

Im Jahr 2019 fuhr unser SAFe Agile Release Train als Bummelzug. Nach wenigen Interventionen wurde er zum Schnellzug! 55% mehr Kundennutzen bei 20% weniger Kosten und 65% kürzeren Entwicklungszyklen.

Verwendete Interventionen

Visualisierung der Arbeit an Kanban-Boards, vergangenheitsbasierte Kapazitätsplanung,  sequenzielle Arbeiten anhand von WiP-Limits und Zieldefinition und Strukturierung aller Rituale

mehr Kundennutzen
0 %
weniger Kosten
0 %
kürzere Releases
0 %

Als Kurzgeschichte

Im Jahr 2019 fuhr ich im ICE mit einem Kollegen zurück von einem Kundentermin. Plötzlich drehte er sich unvermittelt zu mir um und sagte: “Du hast unser Denken und Handeln verändert, vielen Dank!”. Diese Aussage hat mich sehr berührt. Ich war auf dem Weg zu mehr Wirksamkeit!

Aus den Worten meines Kollegen sprach Erleichterung. Die vier Scrum-Teams des Agile Release Trains plagten sich mit geringer Zielerreichung und langen Arbeitszeiten herum. Der Zug tuckerte damals als Bummelzug durch die Landschaft eines riesigen internationalen IT-Projekts.

Experimente wie die Visualisierung der Arbeit an einem Kanban-Board, sequentielles Arbeiten mit Work in Progress Limits (WiP-Limits), eine aus der Vergangenheit lernende Kapazitätsplanung und eine Zieldefinition und Strukturierung aller Rituale hatte zu erheblichen Verbesserungen geführt.

Der Kundennutzen war um 55% gestiegen, die tägliche Arbeitszeit hatte sich gleichzeitig um 20% von 10 auf 7,5 h reduziert. Mehr Nutzen bei weniger Arbeit!

Die Erleichterung bei Team und Kunden war spürbar. Gerührt sagte ich zu meinem Kollegen: „Vielen Dank!“ Vor dem Fenster zog die Landschaft rasend schnell an uns vorbei. Aus dem Bummelzug war ein Schnellzug geworden!

Weiter als Sofalektüre

Situation und Anliegen

Begonnen hatte diese Geschichte im Jahr 2018. Damals stand unser Automobilkunde vor einer gewaltigen Reise. Gesetzliche Anforderungen erforderten eine vollständige Neugestaltung eines weltweiten IT-Systems innerhalb von nur 2 Jahren.

Die Situation war angespannt. Eine langwierige Planungsphase wollte man aufgrund der geringen Projektlaufzeit unbedingt vermeiden. So fiel die Wahl auf das Scaled Agile Framework (SAFe).

Unser Agile Release Train fuhr los mit 3 cross-functional Teams. Nach der Bereitstellung des Zuges ging ich zunächst von Board und schaute stattdessen bei jedem Bahnhof einmal im Speisewagen vorbei. Dort lies ich mir die neuesten Geschichten beim Mittwochschnitzel erzählen. So erfuhr ich, dass unser Zug nach 10 Monaten gehörig in den Kurven quietsche und die Passagiere mächtig durchgeschüttelt wurden. Ich hatte den Wunsch dieses spannende Projekt zu unterstützen und bot mich als Agile Coach an, um „den Sand im Getriebe zu finden“. Und tatsächlich: Zwei Tage später lies mich mein Vorgesetzter einsteigen! 

Beobachtungen und Vorgehen

Zunächst war ich Beobachter, um ein Verständnis für die Vorgänge an Bord zu erlangen. Ich nahm an den skalierten Ritualen Scrums of Scrums und PI-Planning teil und ich schaute regelmäßig in die Abteile der Teams. So nahm ich am DailyPlanningReview und der Retro teil. Schon nach zwei Wochen konnte ich aus meinen Beobachtungen Annahmen ableiten, die ich in Gruppen und Einzelgesprächen validierte und kontinuierlich weiterentwickelte. Bald konnte ich das Gequietsche und Geruckel unseres Zuges besser verstehen und mit den Teams zielgerichtete Experimenten erarbeiten. 

Probleme und Ursachen

Das von mir grundsätzlich beobachtete Problem war eine geringe Erfüllung der Forecasts. Wir kamen nach zwei Wochen nie ganz am Bahnhof an, so dass wir die restliche Strecke im nächsten Sprint fahren mussten. Wir waren ein Bummelzug, obwohl das ganze Team in vielen Überstunden mächtig Kohle in die Heizkammer schaufelte. Auch machten wir erst am letzten Tag die entscheidenden Meter und pfiffen dann aus dem letzten Loch. Das hieß:

  • Geringe Erfüllung des Forecasts
  • Lange Arbeitszeiten (> 9 Stunden)
  • Fertigstellung der Stories am letzten Tag des Sprints
Hypothesen und Experimente

Wir hielten also in einem Bahnhof an und besprach mögliche Hypothesen, die ich in Form von Experimenten überprüfen wollte:

  • Die Transparenz eines Kanban-Board hilft uns Verschwendung aufgrund Missverständnisse und unentdeckter Auftragsverständnisses zu reduzieren
  • Eine Kapazitätsplanung wird unsere Zielerreichung verbessern, da wir von historischen Daten lernen könnnen
  • Durch das sequenzielle Arbeiten anhand von WiP-Limits werden wir den Fertigstellungsgrad am Ende des Sprints erhöhen, da wir kontinuierlich während der Sprints liefern und lernen

Mit einer Reihe von Experimenten im Gepäckwagen fuhren wir los! Durch die Formulierung als zeitlich begrenztes Experiment ließ sich das Team auf die Veränderungen ein, obwohl sie z. B. einen früheren Versuch des Kanbanboards schon halb von der Wand gerissen hatte:

  1. Besprochen wurde das Kanbanboard im Daily mit einer an der Arbeit orientierten Walk the Board (WtB) Methode. So gab es keine langen persönlichen Erklärungen.
  2. Lag einmal ein Baumstamm auf den Gleisen, musste unser Zug schnell reagieren! Ich führte einen Impediment Buzzer ein, den das Team mit Homer Simsons gequälter Stimme bespielte. Das war das Signal, dass wir als Team am Board ein Problem lösten mussten.
  3. Um die Moderation nach dem Round Robin Prinzip zu ermöglichen, brachte ich einen Schlaubi-Schlumpf mit, den sich derjenige am Ende des Dailys an seinen Platz stellte, der als nächsten das Daily moderieren wollte. Fegte einmal die Grippe durch die Wagons unseres Zuges, hatten wir trotzdem immer einen Zugführer!
  4. Eine Kapazitätsplanung, die auf die Leistung vergangener Sprints basierte, wurde fest im Planning eingeplant, so dass wir von historischen Daten lernen konnten.
  5. Von einem Video über Löwen bei der Jagt lernte das Team, dass man erfolgreicher ist, wenn man sich ein Zebra nach dem anderen vornimmt, statt alle gleichzeitig erledigen zu wollen. So hieß es im Team anschließend: „Was ist das nächste Zebra?“
Review und Erkenntnisse

Die Erfolge nach wenigen Sprints waren ermutigend und die Erleichterung im Team und beim Kunden groß! Endlich kamen wir pünktlich, mit weniger Kohlen im Kessel an und fuhren auch nicht erst im letzten Moment die größte Strecke! Zum Zeitpunkt des Reivews der Experimente:

  • lag die Erfüllung des Forecasts regelmäßig bei fast 100%.
  • war die Arbeitszeit um 20% von 9,5 auf 7,5h zurückgegangen
  • wurden die Arbeitsergebnisse nun alle 3 Tage geliefert statt alle erste am letzten Tag der zweiwöchigen Sprints.

So hatten wir eine Menge über Möglichkeiten gesteigerter Wirksamkeit gelernt. All das feierten wir in unserem Speisewagen mit einer großen Konfettikanone während endlich die Landschaft wie im Flug an den Fenstern vorbeizog! Aus dem Bummelzug war doch tatsächlich Schnellzug geworden!

Bereit für weniger Verschwendung?

Ich freue mich immer über einen Erfahrungsaustausch! Gerne könnt ihr deshalb mit mir Kontakt aufnehmen. Aktuell arbeite ich als Chief Operating Officer (COO) bei der INLOGY GmbH in Paderborn.